INHALT: Nachdem Dr. Rose Cotter (Sosie Bacon) Zeugin eines bizarren, traumatischen Vorfalls mit einem ihrer Patienten war, wird sie zunehmend mit erschreckenden und unerklärlichen Ereignissen konfrontiert. Eine bösartige, übernatürliche Kraft scheint fortan ihr Leben zu bestimmen und sie zu terrorisieren. Um zu überleben und dieser schrecklichen neuen Realität zu entkommen, muss sich Rose den Dämonen ihrer eigenen Vergangenheit stellen.
.
Bewertung: Der neue Horrorfilm „Smile – siehst du es auch?“ von Parker Finn handelt von einer jungen klinischen Psychologin, Rose Cotter (Sosie Bacon), die eine schwer traumatisierte Patientin zur Behandlung bekommt. Nach kurzer Zeit wird klar, dass der Selbstmord, der Laura Weaver (Caitlin Stasey) in ihre psychische Notlage katapultiert hat, wohl kein natürliches Ereignis war. Eine Entität hat sich in Lauras Geist eingebohrt und wird von ihr an Rose übertragen.
.
Wer bei der Synopsis an „It Follows“ (2014) denken muss, der liegt dabei ziemlich richtig. Ein Wesen, das die Protagonistin unaufhörlich verfolgt und droht sie nach gewisser Zeit umzubringen. Ist einigermaßen bekannt, aber trotzdem frisch genug um der Prämisse einen eigenen Twist zu geben. Und das gelingt „Smile“ gerade zu Anfang des Films. Die kahlen und in monotonen Pastell Farben gestrichenen Flure und Räume der psychiatrischen Klinik, in der Rose arbeitet, malen ein tristes und beklemmendes Bild, das in seiner Künstlichkeit sehr eindringlich wirkt. Ich hatte Vorfreude darauf den Film in diesen haarsträubenden Räumlichkeiten zu verbringen… leider nichts da. Relativ zeitnah verlassen wir die Klinik und bewegen uns zwischen zwar visuell ansprechenden aber dümmlich dimm belichteten Häusern und kalten Straßen einer Großstadt.
.
Der starke Start des Films endete für mich leider mit dem Wechsel der Locations. Ich bekam anfangs das Gefühl, der Film möchte über seine beängstigende Atmosphäre arbeiten. Als wir dann in Rose’s Haus landen, dessen Glühbirnen ein deutliches Produkt der momentanen Energiekrise darstellen, legte der Film seine Maske als innovativer Horrorfilm ab und begabt sich immer mehr in das Standard-Jump-Scare Gedöns, das viel zu viele andere Studiofilme verfolgen.
.
Trotzdem würde ich den Film aus einigen Gründen doch etwas über den Genre-Einheitsbrei erheben. Einerseits der wirklich verstörende Anfang.
.
Dazu kommt eine überraschend ausgeprägte Prise an Humor. Dass während eines Horrorfilms im Kino so herzlich gelacht wird, bevor allesamt wieder zusammenzucken, kommt selten vor. Und der Humor landet. Der ist nicht unangenehm oder erzwungen. Die Schauspieler*innen wissen wie Humor funktioniert. Generell sind sämtliche Performances wirklich gut gelungen. Die arme Sosie Bacon, die immer weiter in ihrem psychischen Sumpf versinkt, porträtiert das mit einer Authentizität die dem Zustand ihres Charakters gerecht wird und nicht drüber oder fremdschämend wirkt.
.
Besonders hervorheben möchte ich aber an dieser Stelle zwei Nebenrollen, die in ihren kurzen Auftritten eine gewaltige, nachhaltige Wirkung auf mich hatten. Die beiden Rollen sind Laura Weaver und Robert Talley (Rob Morgan). Wirklich großartige, schmerzvolle Performances.
.
Auch die Kameraarbeit bemüht sich mehr als Standard zu sein. Dabei wirkt sich teilweise aber ordentlich gewollt. Was Pawel Pogorzelski in seiner hochgelobten Kameraarbeit in Midsommar und Hereditary zeigte, wird hier nicht nur versucht und nicht ganz erreicht, sondern auch deutlich übertrieben. Sich inspirieren zu lassen und es nicht auf demselben Level zu erreichen ist dabei überhaupt nicht das Problem. Ich finde es toll, anderer Menschen werke einzubeziehen. Allerdings wird es schwierig, wenn häufig genug Inspirationen auftauchen, dass sie mich während des eigenen Films viel zu oft an die Kameraarbeit anderer denken lassen. Dabei gebe ich Charlie Sarroff (Kameramann) nicht die Verantwortung. Vielmehr denke ich, dass die Regie sich zu sehr hat mitreißen lassen.
.
Wenn wir aber schon bei den Problemen des Films sind, komme ich jetzt abschließend auf mein größtes Problem mit dem Film zu sprechen: Seine unterliegende Bedeutung.
.
Spoiler für das Ende:
Der Film brüstet sich selbst damit das Thema Trauma zu behandeln und konfrontiert uns mit wirklich tragischen Ereignissen in den Leben gewisser Personen. Das Wesen ist hierbei die Verkörperung dieser Traumatisierungen und fungiert als Mahnmal für das, was Menschen mit dieser psychischen Krankheit erleben können. Auch hier erinnere ich mich wieder an das Thema der Geschlechtskrankheiten, die in „It Follows“ aufgegriffen wurden. Nur hat „It Follows“ dabei eine sehr intelligente Entscheidung im Drehbuch stehen gehabt. Das Ende bleibt offen und somit ambivalent. Fertig. Warnung gesetzt und angekommen.
.
Was bei „Smile“ aber passiert ist mehr als fragwürdig. Auch hier möchte ich im Vorfeld anmerken, dass es nicht meine Position ist ein bestimmtes Department dafür verantwortlich zu machen. Wer die Drehbuchentscheidung getroffen hat, ist mir einfach nicht bekannt.
.
Aber kurzum: Das Monster/Das Trauma siegt.
.
Die Protagonistin erkennt den Schlüssel zum Sieg über das Monster in der Bewältigung ihrer eigenen Vergangenheit und stellt sich voller Mut dem Übel entgegen und stirbt für einen billigen Schocker.
.
Klar, ist tragisch, wenn die Person, mit der wir den ganzen Film mitgefühlt haben stirbt. Das funktioniert auch.
.
Aber einen Film über die Gefahr von Traumata zu machen und die Person, die dagegen ankämpft und willens ist ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen, einfach sterben zu lassen… das ist ein sehr pietätloses Zeichen an die Zuschauenden.
.
Klar, jetzt kann man sich denken: Ich gehe in so einen Film nicht für die unterliegende Bedeutung, sonder für einen kurzen Schocker.
.
Das ist auch absolut verständlich und toll! Nur, wenn ein Film sich so sehr mit einem schwerwiegenden Thema schmückt und die Aussage am Ende ist: Egal wie sehr du versuchst deine psychische Gesundheit zu bessern, du wirst ihr immer unterliegen; bring dich lieber um, dann weiß ich nicht, ob das so eine gute Idee ist.
.
Ich werde den Film aber an seiner Sehenswürdigkeit bewerten. Den Punkt eben wollte ich dennoch angesprochen haben.
.
3 von 5 Schwenks in den Himmel
.
Kinostart: 29. September 2022. In Farbe.
.
Rezension von Arie Jaspers, der den Film am 23. September 2022 in Köln sah.