INHALT: Stanton geht bei der Hellseherin Zeena (Toni Collette) und deren Mentalisten-Gatten Pete (David Strathairn) in die Lehre und nutzt sein neues Können bald, um sich als Gedankenleser die Gunst und den Wohlstand der New Yorker Elite zu erschleichen.
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FILMBEWERTUNG: In dem Film „Nightmare Alley“, der eine Umsetzung des gleichnamigen Romans von William Lindsay Grasham ist, verfolgt der Zuschauer den jungen Mann Stanton Carlisle (Bradley Cooper), der vor seiner Vergangenheit flieht und in einem Wanderzirkus landet. Hier erlernt er Fähigkeiten, die er mit seinem eigenen erfinderischen Geist zu einer neuen Karriere formen will.
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Guillermo del Toro’s neuer Film zeichnet in der Verfolgung der Geschichte Carlisle’s ein Bild, das, zynisch betrachtet, an Barnett Newman’s „Onement VI“ erinnert. Es trägt eine wunderschöne Ästhetik in sich, obwohl es nichts wirklich zeigt und 44 Millionen Euro dafür vielleicht ein bisschen zu viel Verkaufspreis sind. Mein Unverständnis für moderne Kunst einmal beiseite geschafft, ist das trotzdem eine relativ akkurate Beschreibung dessen, wie mich der Film zurückgelassen hat. Nightmare Alley ist ein wunderschöner Film; optisch. Direkt der erste Shot macht klar, dass wir hier eine Aneinanderreihung vorsichtig kreierter Kameraführungen erwarten können, die uns in ein leicht lyncheskes Bild des Amerikas zwischen WW 1 und WW 2 befördern. Alles wirkt irgendwie sehr realistisch, aber gleichzeitig tief surreal. Der visuelle Stil und die durchweg tollen Performances von Größen wie eben Bradley Cooper, Willam Dafoe, Cate Blanchett, Ron Perlman, Rooney Mara und Toni Colette können aber leider nicht über den größten Schwachpunkt des Films hinwegtäuschen: Dessen Story.
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Es passiert nicht oft, dass ich einen so leeren Film erlebe. Und ich meine nicht seine einzelnen Handlungsstränge. Viele Momente in dem Film sind wirklich toll und bergen das Potential für ihre eigene Story oder eben für ein genial zusammengesetztes Ganzes. Leider bleiben diese Versatzstücke nicht mehr als das: Potential. Denn wo der Film fehlschlägt ist in der logischen Verknüpfung der einzelnen Elemente und das integrieren eines übergeordneten Ziels.
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Die Entwicklung einer Romanze zum Beispiel passiert so schnell und ohne dass die Charaktere, die in diese involviert sind, auch nur einmal eine wirkliche Szene zusammen haben, dass die Frau eher als ein Plotwerkzeug fungiert als als realistische Zeichnung eines Menschen. Der Wanderzirkus bleibt auch nicht der einzige Handlungsort. Plötzlich und aus heiterem Himmel will der Protagonist diesen verlassen. Dann finden wir uns auf einmal eher in einer High Society der früher 40er Jahre wieder, nachdem ein Sprung von 2 Jahren vermittelt wird. Die Charaktere haben sich entwickelt, aber wir werden nicht auf diese Reise der Entwicklung mitgenommen, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt. Dann kommt ein neuer Charakter dazu. Und noch einer. Und noch einer. Dann stirbt wer.
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Es gibt keine Konsequenz aus dem Tod, außer für den Zuschauer, weil es niemand wirklich mitbekommt und dann gibt es einen kurzen Blitz an Gewaltorgie, die an bestimmte Sequenzen aus Pan’s Labyrinth erinnert um nicht zu sagen diese eigentlich ziemlich genau kopiert mit anderer Charakterkonstellation.
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Und das größte Problem ist, dass der Film kein Ziel hat und dadurch sehr unfokussiert wirkt. Der Protagonist hat kein Ziel außer Geld. Zumindest denke ich, dass Geld sein Ziel ist, weil es das einzige ist, was ihn zu bestimmten Dingen verleitet. Es wird eine Geschichte mit dem Vater des Protagonisten eingebaut, die eigentlich seine Motivation für das Geld sein könnte, aber Nö. Auch dieser Hintergrund hat nichts mit der Geschichte zu tun, außer den Protagonisten in ein gewisses Licht zu rücken, das allerdings auch keinen Impact auf die Handlung hat.
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So taumelt der Film dann zwischen Schönheit und absoluter Sinnlosigkeit hin und her und kann seine fantastischen Potentialfetzen nicht zu einem schönen Sakko zusammennähen.
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Ich weiß nicht, wie die Handlung im Buch zusammengehalten wurde, aber ich könnte mir vorstellen, dass ein Buch über seine Länge und die Auslegung von intrinsischen Motivationen, deutlich mehr Sinn in diese Geschichte bringen kann, als es dieser 150 minütige Film geschafft hat.
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Es tut mir bei der Schönheit und grandiosen Kompetenz in allen anderen Bereichen, abseits der Geschichte im Herzen weh, aber ich kann keine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen.
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3 von 5 Zyklopenbabys.
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Kinostart: 27. Januar 2022. Weitere Informationen zum Film unter:
www.searchlightpictures.com/nightmarealley/
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Die Bewertung zum Film wurde von Schauspieler, Autor und Theaterregisseur Arie Jaspers geschrieben, der den Film am 06. Januar 2022 in Köln sah. Arie Jaspers: http://ariejaspers.ahoi-design.de/