INHALT: Der abgebrühte Detective Ezekiel „Zeke“ Banks (Chris Rock) und sein noch unerfahrener Partner William Schenk (Max Minghella) untersuchen eine Anzahl abscheulicher Morde, die auf unheimliche Weise an die grausame Vergangenheit der Stadt erinnern. Unterstützt werden die beiden Detectives von Marcus Banks (Samuel L. Jackson), einem angesehenen Polizeiveteranen und Vater von Zeke. Ohne es zu ahnen, wird Zeke immer tiefer in das mörderische Geheimnis hineingezogen und findet sich plötzlich im Zentrum des morbiden Spiels eines bestialischen Killers wieder. KINOSTART: 16. September 2021.
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FILMBEWERTUNG: Saw: Spiral ist der mittlerweile neunte Teil der, für ihre brutalen Splatterorgien bekannten, Filmreihe. Nachdem in den Jahren vor dem Ableger „Jigsaw“ immer mehr Gedanken in eine möglichst undurchschaubare, enorm verzweigte Geschichte und immer brutaler werdende Todesfallen gesteckt und die moralische Ambivalenz des ersten Teils durch die auf Jigsaw gefolgten Antagonisten immer weiter in den Hintergrund gerückt wurden, möchte sich die Reihe nun mit dem Regisseur der Saw-Teile 2-4, Darren Lynn Bousman, und einem ungewöhnlichen Hauptdarsteller neu erfinden.
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Wie stellt man das an? Überlegen wir mal. Wir haben einen Serienmörder, der Menschen in Fallen lockt. Er erzeugt einen Mythos um sich und bringt einige seiner Opfer dazu ihm in einem Wahnsinn des Stockholmsyndroms zu folgen und sogar noch an Grausamkeit zu überbieten. Alle diese Charaktere haben mittlerweile das Zeitliche gesegnet. Was nach wie vor bleibt ist der Mythos „Jigsaw“. Eine Welt, die von ihm geprägt ist.
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Wie wäre es, wenn neue Morde auftauchen, die einen Bezug zu der alten Geschichte herstellen? Wie wäre es, wenn die Fallen und die Folter nicht mehr der Mittelpunkt der Handlung sind? Wie spielt sich Saw aus der Sicht eines Thrillers ab?
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Ungefähr so könnte der Gedankengang zu der Wiederbelebung der Serie gelautet haben. Dazu nehme man eine Story, die auf einer Geschichte eines des größten Comedians der Welt, Chris Rock, beruht. Warum packen wir ihn nicht gleich in die Hauptrolle? Wenn er schon Comedian ist, warum sind wir dann nicht einfach selfaware in dem Streifen und klatschen uns keine Extraschichten Melodrama auf unsere Stulle? Was Saw fehlt, ist Humor. Klingt scheiße? ÜBERRASCHUNG! Ist es überhaupt nicht. Ich würde sogar sagen „Saw: Spiral“ ist die gelungenste Wiederbelebung eines bis aufs Mark ausgeschlachteten Franchises, die ich bisher gesehen habe. Mit neuem Schwung, neuem Stil und trotzdem genug alten Charakterzügen, ist „Saw: Spiral“ für mich eine Bestätigung dessen gewesen, was der erste Trailer in mir an Hoffnung hat aufkeimen lassen.
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Ein totes Franchise wird nicht mit mehr von dem gleichen wiedergeboren, was es überhaupt erst ins Grab befördert hat. Es musste ein krasser Stilbruch her und der ist den Autoren, dem Regisseur und dem Cast phänomenal gelungen.
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Das große Problem ist:
Für wen ist der Film? Alte Saw-Fans werden vielleicht enttäuscht davon, dass die Brutalität nicht mehr der Mittelpunkt der Handlung ist. Saw-Neulinge werden eventuell abgeschreckt von der Gewalt die, wenn sie zum Vorschein kommt, ohne Rücksicht auf Verluste durch prescht.
Es gibt Blut. Es gibt Folter. Es gibt Traps. Nur wird das Konzept der Saw-Filme in einen Thriller eingebettet und erinnert damit eher an Filme von David Fincher (allen voran „Sieben“, welcher auch ein großes Vorbild für die Produktion gewesen sein soll). Die Charaktere befinden sich bereits in einer verzwickte Situation, bevor die Morde, die den Plot bestimmen, losgehen. Charaktere werden nicht durch die Tortur des Mörders bestimmt, sondern durch ihre individuellen, doch zusammenhängenden Hintergründe. Die Morde sorgen dafür, dass sich die Stimmung zuspitzt und überspielte Probleme freigeschaufelt werden.
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Die Charaktere werden aus ihrer Komfort-Zone gezogen, doch niemals in der Ausweglosigkeit und dem Melodrama der Vorgänger. Der Protagonist ist frei. Er kann gehen, wohin er möchte, wird jedoch durch die Ereignisse in einen Strudel der Gewalt gezogen. Überraschenderweise trägt Chris Rock den Film auf eine eindringliche und unverbrauchte Weise. Der Humor, den er von Natur mit sich trägt, sickert überall im Skript durch und gibt der Atmosphäre den nötigen Pfiff. Der Film weiß, was er ist und nimmt sich selbst nicht zu ernst. Aber auch nie so, dass es die Stimmung für mich kaputt gemacht hat. Im Gegenteil. Durch den Humor haben mich die 90 Minuten weitaus stärker in den Bann gezogen und an die Charaktere gebunden, als ich es gedacht hätte. Und auch in tragischen Momenten werden diese Entweder ernst genommen oder mit Humor als Coping-Mechanismus durchzogen.
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Der Film trifft für mich die richtigen Entscheidungen wann eine Situation wie ausgespielt werden sollte um den schwersten Impact zu erzielen. Der Cast ist mit einem gründlichen Augenzwinkern, passioniert bei der Sache und jede*r Schauspieler scheint den Spaß seines Lebens in seiner*ihrer Rolle zu haben. Auch die Musik schmeichelt dem Stil des Films. Fängt sie noch mit boomenden Rap-Tracks an, macht sie doch eine Entwicklung durch, die parallel zu der des Ezekiel Banks (Chris Rock) verläuft, bis hin zu einem wirklich grandios komponierten und integrierten finalen Track, bei dem sich mir die Haare in Freude aufgestellt haben. Das klingt ja alles soweit wirklich grandios, oder? Und ganz ehrlich, für das, was es ist, war es das auch für mich. Einige Malusse sind dem Film dann aber doch nicht abzusprechen.
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Für das, was der Film versucht emotional zu transportieren, ist er teilweise einfach wirklich zu schnell. Es ist kaum Zeit für emotionalen Impract, weil die Handlung weiter sprinten muss. Ja, für mich gab es einige Momente, die meine Gefühle wirklich angesprochen haben und der Film weiß das Drama und die Comedy handzuhaben. In der Zeitspanne, in der der Film rast, glaube ich nicht, dass ich mehr hätte mitgenommen sein können, als es der Film geschafft hat. Trotzdem, hätte sich der Film mehr Zeit genommen, hätte er auch noch einiges härter treffen können. Der Film ist verflixt vorhersehbar. Ich hatte keine Mühe auszumachen, wo die Story hingeht und auch diverse Red Herrings sind eher vergebene Liebesmüh, da sie sehr schnell als solche zu enttarnen sind.
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Das Editing wirkt nicht so energetisch, wie es in den alten Teilen der Fall war. Wo wir teilweise abstruse, aber dadurch für mich auch sehr spannende Transitions hatten, nimmt ein Standard-Cut den Platz ein. Am auffälligsten ist der Schnitt jedoch bei den Traps selbst. Jeder, der einen Saw Film gesehen hat, weiß, die das Editing der Traps ist. Schnelle, schrille, Zeitraffer-Aufnahmen. Oftmals mit Rotationen um das Opfer. Gewalt und Panik im Vordergrund.
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Hier wirkt es eher, als hätte jemand mit wesentlich weniger Talent versucht einen Saw-Abklatsch zu drehen. Merke, nur vom Stil her. Die Gewalt und die Traps selbst, sind ganz großes Kino. Die Inszenierung ist leider eher enttäuschend, wirkt müde und matt.
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Das sind für mich aber schon die schwerwiegenden Kritikpunkte.
Manchmal wirkt der Film mehr Low-Budget als er ist und auch die Hitze und damit einhergehende Klaustrophobie in der Stadt kommt für mich nicht durch, aber lässt man sich auf den Film ein, dann erwartet einen ein sehr frischer Ansatz an eine erschlaffte Filmreihe und ein sehr kurzweiliges Erlebnis.
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3 von 5 abgeschälte Tattoos.
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Kinostart: 16. September 2021. Weitere Informationen zum Film unter: